Berichte aus Italien und Griechenland, erste Lektion: raus aus der Stadt

Im Gelben Forum erscheinen immer mehr Berichte aus Griechenland und Italien.
Als kleinen Eindruck was dort aktuell passiert zitiere ich aus dem Forum:

Italien steht still

Guten Tag an Alle,

ich möchte aus @Barbaras Nachrichtenüberblick (grazie mille) den Link herauspicken und ein wenig aus dem Alltag berichten.

http://www.deutsche-mittelstands-nachrichten.de/2012/01/36760/

Als in Sizilien die Proteste losgingen, haben wir beide Autos vollgetankt, die Kanister gefüllt und ich war im Supermarkt einen Großeinkauf machen.
Meine bessere Hälfte lächelte – und gestern waren an den wenigen, offenen Tankstellen Schlangen – kilometerlang.
Wir sind in Apulien, auch hier sind seit gestern morgen die Autobahnzufahrten aus dem Norden gesperrt.
Die Transportunternehmen stehen am Ende für die Leiden der Italiener generell.

Alleine in 2011 wurde erhöht:
Autoversicherungen um 40% (z.B ein Fiat mit 55 PS kostet ca. 800 – 1000 € jährlich nur normale Kaskoversicherung)
Benzin und Diesel 30% + zusätzliche 11/14 Cent im Dezember dank Monti
Steuern kosten für besagten kleinen Fiat 430 € jährlich
Lebensmittel stiegen 2011 um ca. 20%
Autobahngebühren stiegen um 15%

usw..

In Taranto (südlichster Süden) geben bereits die Fischer ihre Lizenzen bei der Hafenmeisterei zurück. Durch zusätzliche Steuern und die hohen Dieselkosten schaffen sie es nicht einmal mehr, mit dem mageren Fang ihre Familien zu ernähren. Sie streiken nicht, sie verweigern sich.
“Fischt doch selber!” ist ihr Spruch, sie gehen angeln und aufs Feld, melden ihre Kutter ab und sagen, dass sie keine Einahmen haben, also auch keine Kosten – und eben jetzt von der Hand in den Mund leben – wie sie es eh schon tun. Nur, dass sie die Politik nicht mehr mit durchfüttern.

Besonders schlimm ist die Globalisierung auch für die Fischer zu spüren, denn TK-Fisch aus Tailand und China (aus den Schlammtümpeln) kommt mit großen Schiffen an, kostet die Hälfte und wird gekauft. Weil auch die Bevölkerung es nicht mehr schafft, sich mit dem teureren, frischen Fisch zu versorgen.
Selbst wer gern würde, es ist nicht mehr machbar, aus Solidarität mehr auszugeben.

Was hier im Süden noch klappt, ist die Versorgung mit Gemüse und Obst an der Haustür. D.h., dass die Bauern vor ihrem Haus einen kleinen Stand haben, an dem man sich auch ohne Benzin mit dem Rad versorgen kann.
Bei uns gab es gestern noch alles im Supermarkt, das wird heute anders aussehen, denn seit gestern morgen wurde nichts mehr geliefert. Aber wir sahen im Vorbeifahren Leute mit vollen Wagen noch bis in den späten Abend hinein. Brot wird es ab heute keines mehr geben in den Märkten, das wurde schon gestern berichtet. Denn hier gibt es jeden Morgen frisches Brot von den Bäckern aus dem Umkreis. Und die haben seit 2 Tagen keine Lieferungen mehr erhalten (Mehl etc.).

Das Verständnis für die Blockaden ist groß, denn alle leiden.
Die einhellige Meinung: “Die da oben machen was sie wollen und wir werden ausgequetscht.”

Bisher war es wirklich zu ruhig, das wunderte alle. Doch man sieht – es muss nur einer anfangen, dann schließen sich andere an.
Da der Italiener an sich heißblütig ist, kann solch ein Streik schnell ausarten.
Wer sich mit seinem LKW nicht anschließen wollte, musste gestern mit zerstochenen Reifen rechnen.

Die Taxis sind ein Thema für sich.
Die Kommunen vergeben Lizenzen, die Taxifahrer halten diese, auch wenn sie aufhören. Die Lizenzen werden nicht zurückgegeben, sondern zu horrenden Preisen verkauft. Zwischen 80.000 bis 200.000 € für eine Taxilizenz zahlten die Fahrer. Meist mit einem Bankkredit.
Das wurde toleriert von den Kommunen und so bildete sich ein heute als “Schwarz!” beschimpfter Markt, an dem vor allem die Banken sehr gut verdienen.

Nun sollen die Lizenzen ausgeweitet werden und damit verfällt der Wert, was die Fahrer, welche mit hohem Kredit im Rücken fahren, in Probleme stürzt. Darum wird gestreikt – man verlangt vom Staat einen Ausgleich.

In dem Falle ist die Bevölkerung nicht einverstanden, denn sie sagen sich, dass dieser Kreislauf aus Krediten und Lizenzen der Taxifahrern unter Kollegen so entstanden ist. Es ist zwar eine Schweinerei der Kommunen, die Lizenzen nicht wieder einzuziehen und diesen Schwarzmarkt zuzulassen, aber das geht außer den Taxifahrern eben keinen was an.
Darum sind sie recht alleine mit ihrem Protest, aber mit den LKW´s zusammen steht nun das Land still.

Bei allem darf man nicht vergessen, dass es in Italien nichts gibt was mit deutschen Sozialleistungen vergleichbar wäre.
Kein H4, kein Kindergeld, kein Wohngeld…

Willkommen im Club. Ihr seid Griechenland ein Jahr hinterher – Kleine Vorausschau für Euch, Bestandsaufnahme hier

willkommen im Club, kann ich da nur zynisch sagen. Ihr seid uns hier in GR ein Jahr hinterher. Darf ich Dir ein wenig was zu Eurer Zukunft (und unserer Gegenwart) schreiben?

Das Thema Großeinkäufe erledigt sich bald. Nicht, weil es nicht nötig wäre. Hier sieht es mittlerweile so aus, dass Du als “Großeinkäufer” schon schräg an der Supermarktkasse angeguckt wirst. Einfach, weil Du es Dir leisten kannst, so viel auf einmal zu bezahlen.

Hier schieben die Leute nur noch drei, vier Artikel aufs Band, meinst das Nötigste. Getankt wird nur noch für zehn, zwanzig (oder manchmal auch nur fünf) Euro. An den Schulen gibt es keine Bücher mehr. Die Krankenhäuser sind auf Lambarene-Niveau angekommen. Wer behandelt werde möchte, bringt Medikamente und Verbandsmaterial lieber gleich mit (in einigen Fällen sogar Pflicht). Wer Untersuchungen wie eine MRT haben möchte, muss das Röntgenkontrastmittel vorher in der Apotheke selbst besorgen (viel Spaß dabei, die Apotheken werden wegen Zahlungsrückständen derzeit selbst mit Aspirin kaum noch beliefert) und vor allem auch selbst bezahlen.

Bei Unfällen mit Verletzten kommt der Notfallwagen ca. nach einer Stunde. Gerade neulich hier im Ort so geschehen. Wären dort nicht zufällig ausgebildete Ersthelfer incl. privatem PKW vor Ort gewesen, das Opfer wäre gestorben.

Es gibt zunehmend Berichte, dass in den Krankenhäusern Menschen sterben, weil Personal fehlt. Wenn zwei lebensbedrohlich Erkrankte oder Menschen mit schwersten Verletzungen in die Ambulanz kommen, können nicht beide gleichzeitig behandelt werden.

Auf der Ausfallstraße von Thessaloniki funktioniert nur noch jede zweite Ampel. Die anderen sind entweder schwarz oder blinken nur noch so vor sich hin. Keiner mehr da, der repariert, kein Material.

Der Müll stapelt sich nunmehr chronisch (hat nichts mehr mit den Streiks des letzten Sommers zu tun) meterhoch in den Straßen. Die Müllabfuhr hat kein Geld mehr für Sprit, kaputte Fahrzeuge werden nicht repariert.

Die Menschen frieren. Der Winter ist ungewöhnlich kalt, Geld für Öl gibt es nicht, für Holz nur eingeschränkt.

Das Schlimmste ist die Hoffnungslosigkeit und die Depression der Menschen. Das Land ist wie eingefroren. Geld gibt es nicht mehr, der gesamte “Geldkreislauf” ist zum Stillstand gekommen. Keiner zahlt niemandem mehr was. Das bisschen Wirtschaft, was noch irgendwie funktionierte, stirbt gerade. Ein Freund berichtete mir vom Neujahrsempfang der Deutsch-Griechischen Handelskammer in Thessaloniki. Zitat “acht von zehn Anwesenden würden sich am liebsten sofort am eigenen Schlips aufhängen.”

Banken überweisen eigenmächtig selbst angewiesene Summen für Lieferungen, Leistungen oder Gehälter nicht mehr oder nur extrem verzögert.

Ein super Modell, das die Troika da fährt. Und weil es bei uns so prima funktioniert, wollen die das jetzt auch in IT durchziehen. Freut Euch drauf.

Viele Grüße

Die erste Lektion heisst eindeutig: Raus aus der Stadt

vielleicht, neben der ganzen Tristesse, von der ich berichte, mal ein wenig was Praktisches. Für alle, die (wie ich auch) sicher sind, dass GR eben nur als erstes dran ist.

Klare Lektion: Raus aus der Stadt. Ich lebe hier in einem absolut ländlichen Übergangsbereich von der Großstadt Thessaloniki hin zu einem fruchtbaren, bäuerlichen Landstrich.

Je weiter Du nach draußen kommst, umso entspannter wird die Lage. Natürlich ist überall das Geld knapp, logisch. Aber: Es zeigt sich, dass vieles, was wir im Gelben so oft theoretisch besprochen haben, wirklich wird. Auf dem Dorf ist die Lebensmittelversorgung gesichert (die Bauern verkaufen vom Pickup runter), wir haben auch jetzt überall ein hervorragendes Angebot an Wintergemüsen (zappelt teilweise noch… zu Preisen, die irgendwie noch angemessen bzw. bezahlbar sind.

Die Dorfstruktur trägt. Viele helfen sich nach wie vor gegenseitig sehr, wo und wie es immer nur geht. Und die Dorfgemeinde fängt sich auch an, gegen die Staatsmacht zu wehren. So mehren sich die Berichte (ausschliesslich aus kleineren Dörfern), dass dort Mitarbeiter der staatlichen Stromgesellschaft DEI schlichtweg vertrieben wurden, wenn sie Dorfmitgliedern den Strom abstellen wollen, beispielsweise, weil ja die neue Immo-Sondersteuer mit der Stromrechnung eingetrieben wird und Nicht-Zahler mit dem Blackout bedroht werden.

Auf dem Dorf greift das nicht. Der einzige, der da was greift (eher: ergreift) ist der Strom-Mann. Nämlich die Flucht.

Viele Grüße

Was sagt man dazu? Wird dies auch in Deutschland so weit  kommen? Wenn ja, wie sieht es dann ich Griechenland und Italien aus? Was kann man als Vorbereitung machen? Kann man von hier aus den Menschen in Griechenland und Italien helfen? Mein kleiner Beitrag für bessere Umstände ist der Minuto, doch den gibt es noch nicht in griechisch oder italienisch. Gibt es weitere Ideen?

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