Wer verfolgte die Hexen-Hebammen? Und warum?

Vor grob 15 Jahren besuchte ich einen Vortrag von Ottmar Lattorf an der Fachhochschule für Wirtschaft in Berlin. Es ging um die Zeit der Hexenverbrennungen und um die Zerstörung der Liebeskultur in Europa. Von Hexenverfolgungen hatte ich schon einiges gehört, jedoch war mir neu, das es früher einmal eine „Liebeskultur“ gegeben haben soll. Sehr vieles an dem Vortrag war mir neu und hat mich nachhaltig bewegt. Beispielsweise ist der Begriff „Teufel“ für mich seither gänzlich anders belegt. Es kann sogar als Lob und Anerkennung verstanden sein! Klingt verwirrend? Stimmt. Aber ein angstfreier Mann zu sein ist doch nichts teuflisches, oder? Die alte Definition lautet nämlich: „Der Teufel ist der angstlose und der Frau zugewandte Mann!“. Darüber hinaus war der „Teufel“ auch der Bestatter sowie der Nachrichtenübermittler mit Leuchtfeuern auf Bergkuppen. Geschichte kann sehr interessant sein!

Im Internet gibt es eine Webseite mit der Kurzfassung des Vortrages:

http://www.berndsenf.de/HexenHebammenVerfolgung.htm

Es gibt den gesamten Script vom Vortrag als PDF-Datei (36 Seiten):

http://www.berndsenf.de/pdf/HexenHebammenVerfolgung.pdf

und es gibt einen Youtube-Film, bzw. Hörbuch, in dem das Manuskript komplett vorgelesen wird:

2 Gedanken zu „Wer verfolgte die Hexen-Hebammen? Und warum?“

  1. Wow – angesichts der Ableitung von Namen und dem heutigen Gebrauch, der Verstümmelung und Fesselung der Geschlechter, eröffnet mir die Hexenverfolgung nach dieser Vorlesung eine neue Dimension des Verstehens. Dass in Mitteleuropa soviel Wissen verbrannt wurde, empfand ich schon als Mädchen schlimm – dass es aber dermaßen viel zu „Befreien“ und zu Erkennen gibt, ist mir erschreckend neu.
    Wenn ich jetzt die Querverbindung zu den Priestern suche, die Anastasia öfter beschrieb, muss ich gestehen, dass es ein wohldurchdachter und sehr nachhaltiger Schachzug war – und auch entsprechend mächtige menschliche Werkzeuge zur Umsetzung „zur Verfügung standen“.
    Die geballten Informationen müssen von mir schon häppchenweise verdaut werden, um möglichst viel davon zu Erfassen und Nachvollziehen zu können, was damals und bis heute so nachhaltig in die Wege geleitet wurde.
    Ich denke, es gibt viel zu Entfesseln und Wiederzuentdecken.

  2. 1:01:45 Ganz schön widerliche Verharmlosung von Kindesmord (man achte auf die Formulierung):
    „Das klingt brutal.“ — Anstatt: „Das *war* brutal.“ Mit der Liebe war es da wohl doch nicht so weit her. Das hat nichts mit Liebe zu tun, sondern ist ganz einfach widerwärtiger hedonistischer Egoismus …
    „Tatsächlich waren die mittelalterlichen Bäuerinnen in Sachen Fruchtbarkeit so weit souverän, dass sie, falls es doch zu einer unerwünschten Schwangerschaft kam, ein nicht gewolltes Kind, nach der Geburt wieder sanft in’s Jenseits hieven konnten.“ (Das Wort „souverän im Original fettmarkiert) — Soso, ich wusste gar nicht, dass zur eigenen „Souveränität in Sachen Fruchtbarkeit“ dazu gehört, anderer Menschen Leben zu beenden (und dann auch noch das der eigenen Kinder!) — sprich: sie zu ermorden (pardon, meinte: „sanft ins Jenseits hieven“). Aber wenn die (dann natürliche böse) Kirche das mit denjenigen machte, die das ganze „flankiert“ (s.u.) haben, war das natürlich doppelmoralischerweise ein schlimmes Verbrechen (schließlich könnte man auch sagen, dass die Hexen-Hebammen von der Kirche als nicht fit genug für das Leben in der kirchlich vorgegebenen Kultur bestimmt und daher ins Jenseits gehievt wurden). Diese Doppelmoral ist ja heftig. Aber so sind sie halt, die Weiber — Rückgrat und Akzeptanz sind da Fremdwörter — ihnen fehlt dazu wohl einfach die richtige Dosis Testosteron (was — mittlerweile erwiesenermaßen — für das Zeigen von Fairness und für die Intensität der Verhaltenstendenz bzgl. Moraldurchsetzung „verantwortlich“ ist). Weibisches Verhalten heißt nicht umsonst so … Sie kennen oft die Grenzen nicht — weil sie ihre eigenen nicht kennen, logischerweise auch nicht diejenigen anderer (besonders „ihrer“ Kinder, die sie gerne als Erweiterungen ihrer selbst ansehen), was natürlich zu Übergriffigkeit führt. Ich weiß schon, warum ich kein Matriarchat — Mutterbrustordnung — will. 😉
    „Das geschah wohlüberlegt“ — Also tatsächlich klarer Mord, nicht bloß Totschlag oder fahrlässige Tötung. Wie gefühlsmäßig abgestumpft — abgeschnitten vom eigenen Inneren Kind — muss man sein, um so agieren zu können …?
    „sanft un immer abgesprochen mit Hilfe der lokalen (Hexen-)Hebamme“ — Wie hat der Autor eigentlich Mäuschen gespielt, dass er die Angabe „immer“ machen kann? Das hört sich ganz stark nach Relativierungs-/Rechtfertigungs-/Idealisierungsversuchen an. Eigentlich (unbewusst) hat der Autor doch ein schlechtes Gewissen dabei, aber er kann es nicht ins Bewusstsein zulassen, weil dann seine Idealisierung nicht mehr funktioniert, die ihm die Möglichkeit gibt, undifferenziert gegen sein dämonisiertes Feindbild des angeblich bestehenden patriarchalen Kapitalismus zu wettern, weil es ja ein „Heil“ gibt („damals“ oder bei den „Naturvölkern“, jedenfalls un[an]greifbar), das uns nur von den Bösen vorenthalten wird (nicht dass wir qua Selbstverantwortung darauf irgendwie Einfluss nehmen könnten … {Ironiemodus aus}).
    „und wurde vom Kreis der anverwandten erwachsenen Frauen der Mutter flankiert.“ — Klingt wie ritualisierter Kindsmord.
    „Krüppel z.B. akzeptierte man nie.“ — War ja kaum anders zu erwarten — sich mit so jemandem zu zeigen, ist schließlich ehrverletzend und statussenkend. Frauen haben aber Hypergamie in ihren Genen programmiert (d.h. 80 % aller Frauen wollen nur jemanden von den besten 20 % aller Männer als Sexual-/Fortpflanzungspartner … während 80 % aller Männer aber nicht unbedingt nur jemanden von den besten 20 % aller Frauen als Sexual-/Fortpflanzungspartner wollen, sondern sich auch mit den andern 60 (oder noch mehr) % — je nach eigenem/-r Status/Attraktivität/“Güte“ — zufriedengeben, also eher nach dem Motto: Hauptsache ü b e r h a u p t eine Sexualpartnerin ;-)).
    „Sie wurden generell wieder zurück geschickt.“ — Sachlich formuliert: „ermordet“, oder zumindest: „getötet“.
    „Diese Haltung bedeutete aber eben auch: Es gab keinen unerwünschten und infolgedessen vernachlässigten und psychisch deformierten Nachwuchs.“ (Zweiter Satz im Original fettmarkiert) — Richtig; „bedingungslose Liebe der Mutter für ihre Kinder“ ist ein Mythos — die Kinder haben sehr wohl Bedingungen zu erfüllen, und zwar auf einer Ebene, wo sie keinen Einfluss drauf haben. Da ist die Liebe der Väter „bedingungsloser“ — sie fordern i.d.R. nur ein bestimmtes Verhalten ein, also etwas, worauf man selbst einen Einfluss hat (die andere Option: sich neue Eltern suchen — bei Jüngeren — oder sich ein eigenes Revier suchen, wo man nach den eigenen Vorstellungen/Regeln leben kann — bei Älteren — , letzteres nennt man auch Emanzipation/Ablösung von den Eltern.
    (…)
    „Der kollektive Selbstzwang zur Vermeidung körperlicher Lust, wie das erst seit über 200 Jahren in Europa üblich ist, war damals noch nicht entwickelt. Es war auch gesellschaftlicher Usus, dass nur dort Kinder geboren werden, wo ihnen auch eine wirtschaftliche Zukunft versprochen werden konnte. Alles andere galt als verantwortungslos!!!“ (Die beiden letzten Halbsätze des zweiten Satzes im Original fettmarkiert) — Welch eine Ironie! Der „kollektive Selbstzwang zur Vermeidung körperlicher Lust“ (korrekt: zur Vermeidung sexueller Lust) war aus genau den Gründen, die in den letzten beiden Sätzen geschildert sind, etabliert worden (nennt sich auch Triebkontrolle und Disziplin). Interessanterweise erkennt dies der Autor selbst, wenn er zwei Sätze später schreibt: „(…) Frauen nicht wahllos und planlos einfach Kinder in die Welt setzten, wie das heute z.B. in den Industriestaaten Gang und Gäbe ist.“ Hier müsste es aber nicht „Industriestaat“, sondern „Nanny-Staat“ heißen, wie er in den letzten Jahrzehnten entstanden ist.
    Dass der Autor den Satzteil: „wie das erst seit über 200 Jahren in Europa üblich ist“ im Präsenz schreibt, ist ein Fehler, denn es gab ja vor gut 50 Jahren den Beginn der sexuellen Revolution, die die körperliche Lust wieder kultivierte (wenn man dieses Wort hier wirklich anbringen kann), aber die Reproduktion letztlich hemmte, auch weil die Gesetzgebung massiv zum Nachteil der Männer umgestaltet wurde (Frauen erhielten gleiche Rechte und verloren Pflichten, während Männer keine Rechte — bis auf Elternauszeit nach der Geburt — hinzu gewannen, ihre Pflichten — bis auf die Abschaffung der Wehrpflicht vor ein paar Jahren — beibehielten und bspw. bei einer Trennung vorhandene Kinder so gut wie immer — rein dogmatisch und sachlich unbegründet — der Mutter zugesprochen werden, wodurch der Vater unterhaltspflichtig wird, selbst wenn ihm sogar das — was ihm schnell mal passieren kann — das Umgangsrecht genommen oder es zumindest entwertet wird dadurch, dass die Mütter die Kinder dazu missbrauchen, als Waffen bei ihren Konflikte mit den Vätern herzuhalten, z.B. indem die Kinder den Vätern durch Schlechtreden entfremdet werden #ParentalAlienationSyndrome … der Staat als Ersatz-Versorger (inkl. der Variation: quasi bedingungsloser Versorgungsbeschaffer)).
    Kurz: es wird sich hier alles so zurechtgebogen, wie’s dem Autor in seiner Idealisierungs-/Entwertungs-Tendenz grade zupass kommt.

    1:23:28 „Die Romantisierung der Mutterschaft und die Ausrichtung der Frauen aufs Gebären (… weil sie ja ansonsten keine richtige[n] Frauen sind … das denken heute viele abgerichtete Frauen …), die Leugnung der Arbeit, die mit der Mutterschaft, der Kinderbetreuung und dem Haushalt verbunden ist, und die gleichzeitige Darstellung dieser Arbeit als nicht zu honorierende „Liebe“ oder als schicksalhafte „Natur der Frau“, so wie wir das heute in unseren Köpfen herumtragen … das alles sollte ja erst noch kommen …“ (Die Wörter „Romantisierung der Mutterschaft“ im Original fettmarkiert) — Wo lebt der Autor — oder vielleicht besser: wann lebte er?! Das sind Vorstellungen maximal noch des letzten Jahrhunderts. Übrigens wird keine Frau dazu gezwungen, sich einen Lebenspartner zu suchen, bei dem die Rollenaufteilung so vorgenommen werden soll. Auch wird keine Frau gezwungen, Kinder zu bekommen. Das sollte schon ihr eigener Wunsch sein … Selbst wenn die Frauen keiner Erwerbsarbeit nachgehen, sind sie es, die 80 % aller Kaufentscheidungen treffen (und irgendwoher müssen sie ja das Geld dafür haben). — Und das, wo es so gut wie gar keinen bereinigten Gender Pay Gap gibt (und die verbleibenden 2 oder 3 Prozent sind nur noch nicht geklärt, was an der Datenerhebung liegen dürfte, bei der nämlich bspw. der gesamte öffentliche Sektor und Betriebe unter der Größe von 10 Mitarbeitern nicht mitgezählt werden), wie die FAZ letztens berichtete — mittlerweile sind die Faktoren eben herausgekommen. War auch kein Wunder, denn in Schweden, einem der egalitärsten Länder der Welt, gehen die Frauen und die Männer — welch Wunder! — trotzdem und gerade in die Berufe, die man bisher immer als von den Frauen bzw. eben von den Männern bevorzugt verband.
    2:03:25 „Die emotionalen sexuellen Verhältnisse bei den Unterjochten müssen damals um einige Qualitätsgrade derber und freizügiger und gesünder gewesen sein, als wir das heute in Deutschland leben können.“ — Ok, die Frage, wo der Autor lebt(e), ist geklärt, aber — gerade nochmal in Anbetracht dieser zitierten Aussage — die Frage, wann er lebt(e), wäre wohl wirklich eine Klärung wert. Heutzutage jedenfalls ist die Möglichkeit, die eigene Sexualität äußerst „derb“, „freizügig“ und/oder „gesund“ [aus]leben zu können, ist wohl — solange man dabei Einvernehmlichkeit als selbstverständliche Voraussetzung, nicht als Hindernis betrachtet — , so groß, wie es nur irgendwie geht.
    Fazit: Wir haben heute wieder in etwa eine solche Situation wie damals vor der Hexenverfolgung. Zufälligerweise werden sogar die Hebammen zurzeit „ausgerottet“ — jedenfalls sind sie am „aussterben“ — , wenngleich dies heute natürlich andere Ursachen hat (denn sie haben heute ja nur kinderzeugungsfördernde und kindersterblichkeitsenkende, keine diesbzgl. gegenteiligen Auswirkungen), v.a. diese: sehr hohe Versicherungsbeiträge, bürokratische Hürden — man könnte auch im übertragenen Sinne sagen: nicht-tarifäre Handelshemmnisse — und entgeltliche Bevorzugung von Geburtskliniken durch die Krankenkassen(gesetzgebung?).

    PS: 1:53:13 Dies ist Stelle, wo Dagmar Scherfs interessante Rechercheergebnisse zur ursprünglichen Bedeutung des Worts „Teufel“ genannt werden.

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