Corona: können schon zugelassene Medikamente helfen?

 

Frage: Ja, aber es gibt doch bereits für andere Krankheiten zugelassene Medikamente, die helfen?

Mit Verlaub, nein, die gibt es (so) nicht! Natürlich ist nie ausgeschlossen, dass ein gegen ein anderes Leiden wirksames (! – nicht Scharlatanerie pur, siehe 1.1) auch gegen ein zweites Leiden wirkt. Das meistzitierte Beispiel ist Aspirin, als Generikum Acetylsalicylsäure (ASS). Früher nur als Kopfschmerzmittel gebräuchlich, wird es heute auch zur Blutverdünnung z.B. bei Herz-Kreislaufpatienten eingesetzt. Gefährdete können es auch vor Flugreisen zur Thrombosevorbeugung nehmen usw. Aber: das ist ja gar keine ‚neue‘ Wirkung – dass ASS bei häufiger Einnahme z.T. gefährliche Magen­blutungen u.a. verursacht, wusste man schon so ziemlich von Anfang an. Damals gab es aber noch weniger Zivilisationskrankheiten, die eine Blutverdünnung ratsam erschei­nen liessen. Später erinnerte man sich der vorher lästigen Nebenwirkung und setzte sie gezielt als Wirkung ein, ASS war jetzt also plötzlich Wirkstoff gegen einen zweiten Symptomenkomplex. Und, ganz wichtig: der Ursprungszweck, die Linderung von Kopf­schmerzen, lief dem zweiten Zweck nicht zuwider, d.h. wer erst gar keine Kopf­schmerzen hat, dem geht es nach Einnahme eines dafür unnötigen Kopfschmerz­mittels nicht schlechter, als zuvor (was aber eben nur für ASS gelten mag, und bei Paracetamol und Ibuprofen [8.4.1.1] anders aussehen könnte, wenn man es ohne Not schluckte!).

Man muss wieder mal mehrere Dinge auf einmal verstehen, um zu begreifen, wie das mit den off-label-uses bereits anderweitig zugelassener Medikamente funktioniert:

Nehmen wir an, in einer Krise wie der jetzigen Pandemie gebe es einhundert Sub­stanzen, denen man aufgrund Analogieschlüssen eine mögliche Wirksamkeit unter­stellt, hier also entweder das SARS‑2-Virus an der Replikation (4.2.1.3) zu hindern oder wenig­stens seine Wirkungen zu limitieren (etwa weniger Atemnot = weniger beatmungs­pflichtige Patienten in kritischem Zustand; auch wenn es also nicht direkt heilt, kann es helfen, den Patienten so lange am Leben zu erhalten, bis er aus eigener [Immun‑] Kraft das Virus überwunden hat – es gibt hunderte Wege, einer Krankheit Herr zu werden).

Nehmen wir an, die 100 Substanzen teilten sich sauber in zwei Klassen zu je 50 Substanzen: die ersten fünfzig waren bereits früher für eine andere Wirkung zu­gelassen (wie ASS gegen Kopfschmerzen) und die zweiten fünfzig sind dies nicht. Das müssen gar keine neuentdeckten Mittel sein, sie können sogar jahrtausendelang schon den Menschen begleiten, etwa Blei. Aber Blei hat keine Arzneimittelzulassung, ASS dagegen schon.

Und hier wird es spannend: ein Kliniker, also der Arzt am Krankenbett (Englisch ‚bed­side‘, die Übertragung von Forschungen auf die Klinik heisst meist ‚translational medicine‘ oder ‚from bench to bedside‘, mit ‚bench‘ ist der Labortisch gemeint), der Patienten, auch schwerstkranken, eine Substanz verabreichen möchte, die noch nie für ‚irgendetwas‘ zugelassen war, kann das i.d.R. nicht (wagen).

‚Off-label-use‘ (vgl. Beatmungsgeräte 6.1.1.3.1) dagegen, die Anwendung einer für andere Zwecke zur Behandlung von Menschen zugelassenen Substanz, kann der Mediziner im Rahmen seiner Therapiefreiheit zu verabreichen wagen und sich ggf. gar dazu gezwungen sehen, wenn er begründet davon ausgeht, dass er damit ein Leben retten könnte, das ansonsten mit einiger Sicherheit verloren wäre.

Und nun kommt der entscheidende Unterschied: eine Medikamentenzulassung bedeutet zweierlei:

  1. Dass das Medikament für den erforderlichen Zweck wirksamer als ein Placebo ist (etwas, woran Homöopathie derzeit scheitert und daher nur über einen Ausnahmemechanismus ‚zugelassen‘ bleibt) und
  2. dass es keine (oder so geringe) Nebenwirkungen hat, dass es den Patienten zwar womöglich von der zu therapierenden Krankheit heilt, ihm dabei aber gleich­zeitig keine schlimmere Beschwer­den oder Schäden beschert, als die zu therapierende Ausgangs­krankheit rechtfertigt.

So getraut man sich in der Behandlung eines tödlichen Krebses Mittel einzusetzen, die den Patienten fast, und manchmal ganz, umbringen, während man solche ‚Hämmer‘ sicher nie zugelassen bekäme, um Husten zu lindern, selbst wenn dasselbe Chemo­thera­peutikum Husten 100%ig zum Verschwinden brächte.

D.h. in der Zulassung eines Arzneimittels steckt immer die implizite Anerkenntnis, dass dessen Nebenwirkungen in Ansehung des Zweckes hinnehmbar sind.

Was passiert denn nun bei völlig neuen Substanzen, deren Einsatz am Menschen noch nie ausprobiert wurde, selbst wenn man davon ausgeht (glauben heisst nie ‚wissen‘!), dass sie gegen z.B. das neue Corona-Virus absolut wirksam sind?

Nun, man muss erst mehrere Stufen durchlaufen, und zwar in etwa:

  1. An Zellkulturen in vitro (8.1.1) wird getestet, ob das Medikament überhaupt zellverträglich ist und, falls das in Zellkulturen überhaupt geht, vielleicht auch, ob es die entsprechende Wirkung erzielt.
  2. Stellt es sich bereits dort als starkes Zellgift heraus, dann (Krebsmittel mal ausgenommen) würde das Mittel verworfen, weitere Studien wären i.d.R. überflüssig, es sei denn ‑rein hypothetisch‑ man dächte noch an ein gleichzeitig zu gebendes Zellschutzmittel, was aber die Zulassung sicher arg erschweren dürfte.
  3. Nehmen wir an, die Kulturzellen überleben es, dann wird nach einem geeigne­ten Tiermodell gesucht. Ich mag ja Tierversuche gar nicht, aber so ist es nunmal (einer der Gründe, warum ich so lebe, dass ich gar keine Pharmazeutika benö­tige). Nehmen wir an, es gibt Mäuse, die für die gleiche Krankheit anfällig sind, wie Menschen. Dann macht man die Mäuse erst krank, infizierte sie z.B. derzeit mit SARS-CoV‑2 und gibt dann das Mittel. Sind die Mäuse, oder ein über­wie­gen­der Teil, danach geheilt, dann stellt man Antrag auf die nächste Stufe der Erprobung, manchmal schon gleich am Menschen, manchmal an einem weiteren Tiermodell, etwa Schweinen oder Menschenaffen. Primaten-Labors gibt es aber nicht viele und Forschung am Menschenaffen-Modell, bei HIV / AIDS häufiger anzutreffen, ist äusserst kostspielig.
  4. Schliesslich wird das ‚Medikament‘ an Menschen getestet, aber nicht unbedingt schon an Kranken, sondern oft erst an gesunden Freiwilligen, um z.B. fest­zu­stellen, in welcher Dosierung man es anwenden kann, ohne dass gravierende Nebenwirkungen auftauchen. Auch das ist i.d.R. bereits eine Doppel-Blind­studie, d.h. eine Gruppe bekommt ein ‚unwirksames‘ Placebo, die andere, vom Alter, Geschlecht und Gesundheitszustand möglichst vergleichbare, Gruppe bekommt den echten Wirkstoff. Diejenigen in der Krankenhausapotheke und die Ärzte und Pfleger am ‚Krankenbett‘ oder in der Ambulanz wissen aber nie, welche Versuchsperson welchen Stoff erhält. Erst nach Abschluss der Medika­men­tengabe und nachdem alle Auswertungen abgeliefert sind, deckt der Studienleiter auf, wie sich die Kontrollgruppe zur Wirkstoff-Gruppe verhält.
  5. Nun erst, frühestens jetzt erst, kann man sich an wirklich Kranke wagen! Jetzt also bekommen kranke Patienten das Mittel, aber wieder doppel-blind, d.h. nur die Studienleiter, die ihrerseits keinerlei Patientenkontakt haben, wissen, welche der zufallsausgewählten Patienten, die einer homogenen Gruppe (ähnlichen Alters, Gewichts, ähnliche Vorerkrankungen usw. – je nachdem, worauf es noch so ankommen mag im Einzelnen: z.B. wird man in einer Hepatitis-Studie keine Schwerstalkoholiker einschliessen usw.) angehören, nun das Placebo oder den Wirkstoff erhalten.
  6. Meist bleibt es nicht bei einer einzigen solchen Studie, oft sind mehrere erfor­derlich, aber lassen wir es mal dabei.

Es ist nun offensichtlich, dass, selbst wenn man nur Stufen 1 bis 5 durchlaufen müsste, der zeitliche und Kosten-Aufwand gigantisch wären. Pharmaforschung ist tatsächlich mittlerweile ‚irre‘ teuer. Es gibt aber, will man Menschen nicht leichtfertig schädigen, keinen ‚Königsweg‘ zur neuesten ‚Blockbuster‘-Arznei, das glauben nur gewissenlose Scharlatane (1.1.3), die von Pharmazie und Medizin tunlichst keine Ahnung haben dürfen, denn das verwirrt den (Wein‑) Geist …

Wenn also ein Professor Raoult jetzt in einem Schnellschuss ein Medikament testen will, das vorher bei einer Protozoen‑ (!) Infektion (Malaria – so weit entfernt von einem Virus wie ein Fahrrad von einem Mähdrescher!) ‚geholfen‘ hat, wie etwa das Chloro­quin, dann wählt er dieses Medikament u.a. deshalb aus, weil es als bereits zugelasse­ner Arzneistoff ‚nur noch‘ den letzten Punkt erfüllen muss: es muss auf einem anderen als dem bisherigen Anwendungsgebiet deutlicher als ein Placebo wirken. Er kann also ‚nach Herzenslust‘ herumexperimentieren, Einwilligung der (sowieso verzweifelten) Patienten vorausegesetzt.

Dazu bedarf es aber immer noch einer Doppelblindstudie. Und deren Patientengut muss nach bestimmten Kriterien ausgewählt werden. Wenn ich z.B. einen Wirk­mechanismus unterstelle, der nur im ersten Stadium der Erkrankung ‚greifen‘ kann, solche Patienten aber in einer Klinik gar nie habe, weil diese erst aufgenommen werden, wenn sie bereits in Phase II der Erkrankung, mit schweren Symptomen, zu mir kommen, dann wäre eine solche Studie wenig wert, ja vielleicht sogar angesichts der Nebenwirkungen des Chloroquin (8.1.4.1) oder anderer Stoffe, in der fortgeschrittenen Krank­heits­phase kontraindiziert.

Es darf (!) also niemand Anspruch auf eine wissenschaftlich valide Studie erheben, der sich nicht die Patienten hat zufallsgesteuert und kriteriengerecht hat zuweisen lassen.

Wer dagegen seine Patienten selbst aussucht, und dann von Heilungserfolgen spricht, muss sich den Vorwurf und Anfangsverdacht gefallen lassen, er habe nur solche Patienten behandelt, die z.B. auch von ganz allein gesund geworden wären.

Merke: „mit Arzt heilt eine Grippe in vierzehn Tagen, ohne Arzt in zwei Wochen!“.

Solche Studien sind daher vom wissenschaftlichen wie vom therapeutischen Stand­punkte oft wertlos und man muss es anderen Kliniken und Ärzten nachsehen, wenn sie ihre Reputation nicht aufs Spiel setzen, gar Strafanzeigen oder Schadenersatz­klagen riskieren wollen, weil sie einer evtl. geschönten ‚Studie‘ aufgesessen sind.

So scheint derzeit die Sachlage im Fall Chloroquin (8.1.4.1) und m.E. ist es daher für Hurra-Rufe bezüglich Chloroquin oder Remdesivir u.a. bereits zugelassener Mittel zu früh. Die Idee, das Chloroquin werde gar unterdrückt, weil man daran nichts verdienen könne, ist eine arge Frechheit, denn: dem Klinikarzt kann es völlig egal sein, was ein Mittel kostet, der muss es weder bezahlen noch bekäme er bei teuren Medikamenten Provision. Und die kaputtgesparten Krankenhäuser und Arztpraxen würden liebend gerne ihre Budgets entlasten, indem sie kostengünstige Mittel verordnen. Und das tun sie ja auch täglich, sind sogar angehalten, das jeweils günstigste Präparat (‚Generika‘ z.B.) zu verschreiben!

 

Dies ist ein Auszug aus dem Buch

Das Corona-Virus SARS-CoV-2 und die Atemwegserkrankung CoVid-19:

Bedeutung, Auswirkungen, Vorsorgemöglichkeiten, Verhalten und Zukunftsaussichten

dessen jeweils neueste Version Sie immer auf dieser Webseite

https://www.waldgartendorf.de/wegweiser/

finden. Blaue Hyperlinks verweisen auf Internetseiten im ‘Web’, braune auf Stellen im Buch selbst. Letztere sind nur aktiv, wenn Sie das Buch herunterladen und in einem PDF-Anzeigeprogramm lesen.

 

1 Gedanke zu „Corona: können schon zugelassene Medikamente helfen?“

  1. Danke für diese wertvollen Informationen.
    Hr. McCormack ist zweifellos der beste Experte in Bezug auf die aktuelle Corona-Pandemie!
    Wie kein zweiter gelingt es ihm, sein außergewöhnliches Wissen zu vermitteln!!
    Danke!!!

    *****
    Ergänzender Kommentar von Konstantin:
    Alle Kommentare werden von mir gesichtet und dann freigeschaltet oder auch nicht. Dies entscheide ich nach meinem subjektiven Empfinden. Es gibt kein Recht, dass ein Kommentar auf dieser Seite veröffentlicht wird. Ich schalte nur frei was mir passt. Wer andere Ansichten veröffentlichen will, mache doch bitte eine eigene Webseite auf.
    Gerne ergänze ich auch Kommentare bevor oder nach dem ich sie freischalte. Zwischen dem Text des Lesers und meiner Ergänzung stelle ich dann eine Reihe an Sternchen, so wie auch hier.

    Dieser Kommentar, sehr lobend für den Autor des Cowid-19 Handbuches (https://www.waldgartendorf.de/wegweiser/), hatte mich zwar gewundert, aber wenn ihn jemand so sehr loben will – bitte. So habe ich es freigeschaltet. Danach bin ich in den Garten und haben den dürstenden Pflanzen Wasser gegönnt. Dann gab es noch andere Aufgaben im Haushalt zu tun und erst einige Zeit später bin ich wieder an den PC (ich habe ja kein Smartphone und hänge nicht wie ein Süchtiger dauernd an den Geräten) und staunte nicht schlecht:

    Innerhalb weniger Stunden hat der Kommentaor 30 Schreiben an mich verfasst! Inklusive Fristsetzungen und Drohungen er würde mich anzeigen, eine Initiative gegen mich starten, … bis hin zu mehrfacher Nötigung!

    Ganze sieben Minuten nach seinem ersten Beitrag (siehe oben) schrieb der Kommentator folgendes:
    „Euch ist schon klar dass das ironisch gemeint war, oder????“

    Soweit nichts außergewöhnliches. Das gab es schon bei dem Video „Meine Oma ist ’ne alte Umweltsau“. Da wurde auch versucht rückwirkend alles als Ironie darzustellen.

    Nur hatte jetzt bei mir der Kommentator sich hineingesteigert in schwerste Empörung, weil ich seine Ergänzung „ist ja nur Ironie“ nicht umgehend auch freigeschaltet hatte.

    Ich verbuche das mal als Corona-Lagerkoller.

    Nun, wie geht man mit so etwas um? Einfach nur ignorieren? Sich der Nötigung unterwerfen? Den Schreiber anzeigen wegen Nötigung?
    Mein Weg sieht so aus: Ich habe die Emailadresse als Spam markiert, er kann also hier keine Kommentare mehr schreiben. Dabei habe ich gemerkt, daß eh schon ganz schön viel Spam über die Kommentare eingingen. Die wurden zwar abgefiltert, aber nun habe ich ein Mathe-Captcha eingefügt, so daß ein Kommentator eine mathematische Frage beantworten muss. Und als Abschluss schreibe ich hier die Ergänzung an den Kommentar dran, damit die geneigten Leser mitbekommen, was man als Blogschreiber so alles erlebt.

    Konstantin

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