Anastasia: lebender Zaun

Wladimir: «Hast du etwas gegen Zäune?»
Anastasia: «Nein. Sogar Tiere markieren die Grenzen ihres Reviers. Aber woraus soll dein Zaun bestehen?»
[…]
«Und wie viele Jahre hält so ein Bretterzaun, ohne reparaturbedürftig zu werden?»
[…]
«Mit anderen Worten, du wirst dich ständig um den Zaun kümmern müssen, ganz zu schweigen von deinen Kindern und Enkelkindern. Wäre es da nicht besser, einen Zaun zu errichten, an dem auch noch deine Nachkommen ihre Freude haben? Lass uns überlegen, wie man einen so haltbaren Zaun bauen kann, dass auch noch deine Enkel dich bei seinem Anblick in guter Erinnerung behalten werden.»
[…]
«Was denn für einen? Hast du einen Vorschlag?»
«Wäre es nicht besser, anstelle der Pfosten, die ohnehin verfaulen, Bäume zu nehmen?»
«Bäume? Und die Bretter soll ich dann wohl an die Bäume annageln?»
«Wozu überhaupt Bretter? Schau dir den Wald an – hier stehen die Bäume in einem Abstand von anderthalb bis zwei Metern.»
«Das schon. Aber was ist mit den Lücken? So ein Zaun hat keinen Wert.»
«In die Lücken kann man dichte Büsche und Sträucher pflanzen. Stell dir nur mal vor, wie schön so ein lebender Zaun sein kann! Die Nachkommen seines Erbauers werden sich noch Jahrhunderte später dankbar an ihn erinnern. Ein solcher Zaun ist voll funktionsfähig und erfordert keine Reparaturen, und wenn man ihn etwas abwechslungsreich strukturiert, gibt er auch etwas fürs Auge her. Zum Beispiel kann eine Baumreihe aus Birken bestehen, eine andere aus Eichen – mit etwas Phantasie kann man den Zaun auch ganz kunterbunt gestalten, wie im Märchen.»
«Kunterbunt – wie meinst du das?»
«Bäume und Sträucher gibt es doch in den verschiedensten Formen und Farben: Birken, Ahorn, Eichen, Zedern, dazwischen Ebereschen mit ihren leuchtend roten Beeren und ab und zu einen Schneeballstrauch. Auch für Faulbeerbäume und Flieder wird sich ein Platz finden. Man sollte das aber vorher genau planen. So kann man beobachten, wie und wann die verschiedenen Bäume und Sträucher blühen, wie hoch sie wachsen, welchen Duft die Blüten haben und in welchen Bäumen welche Vögel nisten. Man wird einen singenden, duftenden Zaun haben, der stets sein Gesicht wandelt, sodass man es nie müde wird, ihn zu betrachten. Im Frühling werden die Blüten eine bunte Vielfalt hervorbringen, und der Herbst wird alles in ein flammendes Farbenmeer tauchen.»

Zitat aus: Band 4, Seite 170

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