Anastasia: lustige Buchstaben

Wladimir: «Kannst du mir dieses Buch mit den lustigen und verschiedenen Buchstaben, wie du sagst, bringen?»
Wolodja: «Das ganze Buch kann ich dir nicht bringen, Papa. Ich kann einige kleine Buchstaben bringen. Aber wozu soll ich sie bringen, sie sollen doch lieber an ihrem Ort bleiben. Wenn du willst, Papa, kann ich auch von hier aus die Buchstaben lesen. Nur so schnell wie Mama kann ich nicht lesen.»
«Lies so, wie du kannst.»
Wolodja stand auf, wies mit seinem kleinen Finger in den Raum und begann Sätze aus den Kapiteln des Buches „Schöpfung“ zu lesen:
«Das All erweist sich als ein Gedanke. Aus dem Gedanken wurde der Traum geboren. Er ist teilweise als Materie sichtbar. Mein Sohn, du bist unendlich, ewig bist du, in dir sind deine schöpferischen Träume.»
Er las in Silben. Ich verfolgte seinen Gesichtsausdruck. Er veränderte sich etwas bei jeder Silbe: Mal war er erstaunt, mal aufmerksam, mal heiter. Wenn ich jedoch dahin sah, wo er mit seinem Finger hinzeigte, sah ich keine Buchstaben und schon gar keine Silben im Raum, daher unterbrach ich das seltsame Lesen meines Sohnes:
«Warte, Wolodja. Du siehst also im Raum irgendwelche Buchstaben? Aber warum sehe ich sie nicht?»
Erstaunt sah er mich an. Einige Zeit dachte er nach, dann sagte er unsicher:
«Papa, siehst du etwa nicht dort die Birke, die Kiefer, die Zeder, die Eberesche?»
«Die sehe ich, aber wo sind die Buchstaben?»
«Aber das sind doch die Buchstaben, mit denen unser Schöpfer schreibt!»
Er las weiter in Silben, indem er mit dem Finger auf verschiedene Pflanzen zeigte. Und ich verstand das Unglaubliche. Die ganze Taiga um den See, an dessen Ufer ich mit meinem Sohn saß und an dem ich mehrmals auch mit Anastasia gesessen hatte, war voller Pflanzen. Der Name jeder Pflanzen begann mit einem bestimmten Buchstaben und einige hatten mehrere Namen. Name an Name, Buchstabe an Buchstabe ergibt eine Silbe, dann ein Wort, einen Satz. Später habe ich erfahren, dass der gesamte Raum der Taiga um die Lichtung von Anastasia nicht mit einfach chaotisch wachsenden Bäumen, Sträuchern und Gräsern umgeben war. Der riesige Raum um die Lichtung Anastasias war tatsächlich mit lebenden Buchstaben-Pflanzen beschrieben. Das unglaubliche Buch, so schien es, kann bis ins Unendliche gelesen werden. Es war so, dass aus ein und denselben Pflanzennamen, wenn sie von Nord nach Süd gelesen wurden, die einen Worte und Sätze entstanden. Von West nach Ost – wieder andere. Streng den Kreis entlang – die dritten. Und aus den Namen der Pflanzen ergaben sich Worte, Sätze, Bilder auch noch nach dem Lauf der Sonne. Es sah so aus, als ob die Sonnenstrahlen sozusagen ein Zeigestab für die Buchstaben waren. Ich verstand, warum Wolodja diese Buchstaben als lustig bezeichnete. In gewöhnlichen Büchern gleichen alle gedruckten Buchstaben streng einer dem anderen. Aber in diesem Fall waren die Buchstaben-Pflanzen und selbst ein und dieselben Pflanzen immer verschieden. Von der Sonne aus verschiedenem Winkel beleuchtet, mit Laub raschelnd, grüßten sie den Menschen. Man konnte sie tatsächlich unendlich lang ansehen.
Aber wer hatte dieses erstaunliche Buch geschrieben, wann und wie viele Jahrhunderte lang? Die Generation von Anastasias Vorfahren? Oder?… Später erhielt ich von Anastasia die kurze und lakonische Antwort: „Generationen meiner Ahnen haben Jahrtausende lang die Buchstaben dieses Buches in der ursprünglichen Reihenfolge aufbewahrt.“

Zitat aus: Band 6, Seite 61

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